Vasilios Paparis

Grieche, Selfmademan und Zügelunterunternehmer

In Fluntern wird mit dem Kopf gearbeitet. Meistens. Aber nicht ausschliesslich. Manchmal braucht es neben dem Kopf auch Hände, kräftige Hände, die zupacken können. Wie die von Vasilios Paparis.

Einen Estrich entrümpeln, einen Schwedenofen aus dem 3. Stock auf ein Auto verladen? Kein Problem. Paparis hilft. Wenn eine Studentin am Samstagnachmittag nahe am Nervenzusammenbruch steht, weil ihr Umzugskartons für das Zügeln am Sonntag von einer WG in die andere fehlen? Auch kein Problem. «Schenk ich dir.» Vasilios Paparis duzt seine Kunden und Kundinnen.

Rebellion und Exil
Vasilios Paparis stammt Tripti, aus einem kleinen Dorf in Südgriechenland. Neun Kinder sind sie in der Familie. Die Schulzeit in der Dorfschule ist sehr kurz.
1967 putschen in Griechenland die Obristen und errichten eine Militärdiktatur. Mit auch für junge Menschen einschneidenden Auswirkungen. Den Mädchen werden kurze Röcke verboten, den Jungen lange Haare und allen Schülern wird befohlen, jeden Sonntag die Messe in der Kirche zu besuchen. Der junge Vasilios Paparis reagiert auf seine Weise darauf. Er holt die Fahne der Obristen vom Schulhaus – «die Fahne der Putschisten, nicht die Griechenlands», auf die Feststellung legt Paparis grossen Wert – und zerreisst sie. Zwei Tage später wird er denunziert und verhaftet. Prügel im Polizeirevier folgen, über vier Monate sitzt er im Gefängnis, ehe er zu einer 3,5 jährigen Gefängnisstrafe verurteilt wird. Absitzen muss sie Vasilios Paparis nicht. Stattdessen wird er, mit einem entsprechenden Vermerk in seinen Papieren, zum Militärdienst eingezogen. Eine in Diktaturen häufig praktizierte Methode, um junge Andersdenkende zu brechen. Bei Vasilios Paparis gelingt das nicht. «Ich hatte viele Probleme dort», so Vasilios Paparis rückblickend, «Nachtdienst, Doppeldienst… Und ein offener Knopf an der Uniform liess sich immer finden – zehn Tage Arrest...» Jeder Arresttag wird an die Militärdienstzeit angehängt. Bei Vasilios Paparis dauert sie so statt der üblichen zwei Jahre vier Monate länger.
1970 kommt Vasilios Paparis in die Schweiz, nach Zürich. Ohne Sprachkenntnisse und ohne qualifizierte Ausbildung. Aber Hände, die zupacken können, wurden damals hierzulande dringend benötigt. Besonders im Gastgewerbe. Und zupacken, das kann Vasilios Paparis. Er arbeitet im Hotel «Schweizerhof», als Portier im «Savoy», in der «Schmiede Wiedikon», dort ist er zuständig für das Funktionieren der Kegelbahn, oder als Abwart bei «Fotopress».
«Kein Problem»
1982 macht sich Vasilios Paparis selbstständig. Als Zügelunternehmer. Mit einem VW Bus. Nach Fluntern kommt Paparis eher zufällig. An der Hochstrasse findet er eine Garage und ein kleines Büro. Langsam beginnt das Zügelgeschäft zu laufen. Die Zuverlässigkeit und die Flexibilität der kleinen Firma sprechen sich herum. Ihr Vorteil: Paparis kann schnell auf plötzliche Aufträge reagieren. Wie jetzt, als ein Telefonat das Gespräch unterbricht. Das Hotel Widder braucht dringend einen Transport. «Wann? In einer Stunde? Kein Problem.»
«Kein Problem» – das ist offensichtlich eines der Lieblingsformulierungen von Vasilios Paparis.

Der Fussballpapa
Zwei Söhne haben Georgia, seine Frau und Vasilios Paparis. Er ist stolz auf sie. «Aber auch noch eine Tochter hätte ich schon gerne gehabt …»
Manousos hat die Hotelfachschule in Luzern absolviert und ist heute Chef der Rezeption in einem renommierten Zürcher Hotel. Der andere, Panagiotis, war ein begabter Fussballer, absolvierte die Fussballschule bei den Grashoppers und spielte in der Nationalliga B. «Ich war immer dabei, wenn mein Sohn spielte. Einmal haben wir 4:1 gegen Xamax gewonnen.» Wir!
Inzwischen hat Panagiotis die Zügelfirma seines Vaters übernommen. Und sie professionalisiert. Aber Vasilios Paparis, obwohl pensioniert, packt immer noch mit an.
Demnächst erwartet seine Schwiegertochter ein Baby. Es wird ein Mädchen. Vasilios Paparis ist schon heute stolz auf die künftige Enkeltochter.

Kunst für Transport
Wie sieht Vasilios Paparis die wirtschaftlichen Chancen eines kleinen Familienunternehmens in Zürich? «Die Konkurrenz ist hart. Wir haben faire Preise und eine gute Qualität. Aber jetzt gibt es Firmen, die offerieren ein Auto mit zwei Männern für 75 Franken die Stunde. Was für einen Service können die bieten?» Und dann ist die Zahlungsmoral einiger Kunden schlecht. Man mag es kaum glauben, selbst in Fluntern. Für eine kleine Firma mitunter ein grösseres Problem. «Aber irgendwie machen wir das schon», so der Optimist Paparis. Und mit Nachdruck: «Wir versuchen es immer mit guter Laune. Noch nie haben wir einen Kunden betrieben.» Eher nimmt Vasilios Paparis schon einmal ein Kunstwerk in Zahlung, das dann in seiner Garage der Weiterverwendung harrt.

Der stolze Grieche
Obwohl nun schon über 40 Jahre in Zürich lebend, ist Vasilios Paparis Grieche geblieben. Aus Überzeugung. Und stolz darauf. Die Verbindung zu seiner Familie in Griechenland ist weiter eng. Mitunter profitieren auch seine Kunden davon. Ihnen schenkt er gerne etwas von den Orangen und Oliven aus seinem Heimatdorf.
Jetzt drängt Vasilios Paparis auf den Abschluss des Gespräches. Der Auftrag vom Hotel Widder will erledigt sein. Noch eine letzte Frage: Wie sieht der stolze Grieche die Situation heute in seinem Heimatland? Die Antwort überrascht bei ihm wenig: «Traurig. Schuld daran sind die Leute selber. Vom Gemeindepräsidenten bis zum Minister.»

Martin Kreutzberg