Roland Meier

Ökonom, Kulturmanager, Musikliebhaber

Er ist ein echter Fluntermer und doch so etwas wie ein Neubürger: Roland Meier, geboren 1963 in der Klinik Bethanien. Ein Jahr später zog die Familie nach Hergiswil in die Innerschweiz. Dort wuchs Roland Meier auf, absolvierte die FH für Betriebsökonomie, arbeitete dann als Manager im Marketing und Verkauf bei Nestlé, wohnte elf Jahre in der Romandie, arbeitete drei Jahre in Kiew. Jetzt lebt er wieder in Fluntern. Ein ganz normaler, erfolgreicher Lebens- und Berufsweg. Wenn da nicht eine Besonderheit wäre: Die Liebe zur Musik.


Umsteiger, nicht Aussteiger
Gefährdet war Roland Meier eigentlich schon immer etwas. Da war die Nähe zum Zürcher Opernhaus oder das Lucerne Festival. Und während seiner Zeit in Kiew wohnte er nur fünf Minuten vom dortigen Opernhaus entfernt. Für den Liebhaber klassischer Musik eine Verführung – eine Verführung mit Folgen.
Roland Meier arbeitet gern bei Nestlé. Und nicht ohne Erfolg. Trotzdem, im Alter von ungefähr 40 Jahren beginnt er sich Gedanken zu machen. Er zieht Bilanz: «Noch 25 Jahre bis zur Pension …?» und fragt sich, wie sein weiterer Lebensweg aussehen soll. «Wie wäre es, wenn ich mein Fachwissen im Marketing- und Verkaufsbereich in Verbindung mit meiner Leidenschaft für Musik und Kultur bringen könnte?» Nun machen sich in einem gewissen Alter viele Menschen solche Überlegungen. Bei den meisten bleibt es aber bei den Gedankenspielen. Nicht so bei Roland Meier. Er beginnt neben seiner Arbeit ein Nachdiplomstudium «MAS Arts Management» an der «Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften Winterthur».
Seine Überlegung: Auch im Kulturbereich gibt es Marketingaufgaben. Bald allerdings muss er feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, dort eine Stelle zu finden. Zwar kann er auf seine Erfahrungen bei Nestlé verweisen, aber eben auf keine im Kulturbereich. Was tun? Bei Nestlé bleiben und dort für den Vertrieb von Nesquick zuständig zu sein oder den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und sich als Kulturmanager selbstständig zu machen? Roland Meier springt. Obwohl er gerne bei Nestlé arbeitet. 2004 wird er zum Einzelunternehmer und gründet seine Firma «kultur erleben». Es ist keine leichte Entscheidung für ihn im Alter von 40 Jahren zu sagen «Danke, das war’s», ohne eine andere Position in Aussicht zu haben, ohne finanzielle Absicherung. Allerdings, das macht seine Entscheidung etwas leichter, Roland Meier hat zu dieser Zeit keine Familie, er hat «nicht für vier Mäuler zu sorgen» und er hat Kontakte. Die wiederum verdankt er seiner Liebe zur Musik. Bereits in Luzern hat er einige Jahre als Künstlerbetreuer am Lucerne Festival gearbeitet, von da rührt auch seine Bekanntschaft mit dem Stardirigenten Claudio Abbado. Vor allem aber lernt er während seines Studiums den Fabio Di Càsola, «die Nr. 1 der Schweizer Klarinettisten», kennen. Ein erster, sehr konkreter Ansatzpunkt für Roland Meier in diesem für ihn neuen Arbeitsbereich.
Ideen hat Roland Meier viele. Daran mangelt es nicht. Aber nicht alle Projekte lassen sich realisieren. Die Produktion einer «Zauberflöte» scheitert. Was bleibt, sind Erfahrungen, Erfahrungen, auf die sich aufbauen lässt.

Meggen
Zusammen mit Fabio Di Càsola baut er «klang – Musiktage auf Schloss Meggenhorn» auf. Zwischen Weihnachten und Neujahr finden dort in stilvoller Umgebung hochkarätig besetzte Kammerkonzerte statt. Für die künstlerische Leitung ist Fabio Di Càsola zuständig, für die Organisation Roland Meier. Und für die Finanzierung. Denn auch Künstlerinnen und Künstler leben nicht allein von der Liebe zur Musik. Also muss Geld aufgetrieben werden. Durch Fundraising. «Fundraising ist Betteln auf hohem Niveau», nennt es Roland Meier trocken. Eine harte Arbeit. «50 Anfragen, eine Zusage», so in etwa seine Erfahrung. Die örtliche Gemeinde ist zu interessieren, Stiftungen und Gönner sind zu gewinnen – für «klang» wurde eigens ein Gönnerverein gegründet, der inzwischen einen bedeutenden Teil der Kosten übernimmt –, auch Sachleistungen von der Unterkunft für die Künstler bis hin zu den Blumensträussen sind zu organisieren. Um all das bewältigen zu können, muss man wohl sehr frustrationsresistent sein. Und vor allem vom eigenen Projekt überzeugt. Das ist Roland Meier. Und der Erfolg stellt sich ein. 99% betrug die Auslastung 2009. In diesem Jahr findet «klang» bereits zum fünften Male statt.

Regen in Bangalore
Wenn auch Roland Meier sich besonders zur klassischen Musik hingezogen fühlt, einseitig bleibt er trotzdem nicht. So hat er das Management der Jazzarmonics», einer der vielversprechenden Jazzbands in Zürich übernommen. Und die Organisation und das Fundraising für die Auslandsreisen der ETH Bigband. Diese werden jeweils von der ETH zusammen mit deren Partneruniversitäten in aller Welt organisiert.
Die Grundidee der ETH dabei ist, Kontakte zu wichtigen Universitäten in aller Welt zu pflegen und den besten Student/innen dort zu zeigen, welche Masterstudiengänge sie in Zürich finden können. «Etwas Kulturelles dabei macht sich immer gut», weiss Roland Meier.
Nach einer gelungenen Tournee der ETH Bigband durch Ungarn und Polen wird er 2008 beauftragt, die Reise dieser Band nach China zu organisieren und Sponsoren dafür zu gewinnen. Nichts leichter als das, könnte man denken. Denn für die grossen Schweizer Firmen sollte es doch von eigenem Interesse sein, Kontakte zu den aufstrebenden Märkten in China aufzubauen. Noch dazu in der Kombination von ETH und Kultur. Weit gefehlt. Die Sponsorensuche gestaltete sich für Roland Meier schwieriger als vermutet. «Die lokalen Niederlassungen der Schweizer Firmen vor Ort haben nur beschränkte Budgets und an den Hauptsitzen in der Schweiz zögerte man aufgrund der grossen Distanz. Letztlich konnte aber diese Tournee erfolgreich durchgeführt werden.
Auch die Tournee der ETH Bigband im folgenden Jahr nach Indien verlief erstaunlich gut. Wenn auch nicht ohne Überraschungen.
Als die Band am Flughafen von Bangalore eintrifft, regnet es. In Strömen. Am gleichen Tag sind noch zwei Konzerte vorgesehen. Dann die Nachricht: Die Aula der Universität steht nicht wie vereinbart zur Verfügung. Eine Absage der Konzerte allerdings kam für Roland Meier nicht infrage. Da war Improvisieren angesagt. Und starke Nerven. «Ich war froh, dass ich ein indisches Mobiltelefon hatte. Sonst wäre ich wohl pleite gegangen.»
Natürlich findet das Konzert statt. Unter dem Vordach des Haupteinganges der Universität, Musiker/innen und Instrumente notdürftig geschützt durch Zeltplanen, aber getreu dem Grundsatz: «The show must go on».

Oase Fluntern
Krakau, New Dehli, Shanghai, Rio de Janeiro, Mumbai, Amsterdam – alles vorbereitet und organisiert von Fluntern aus. Mit Hilfe der modernen Kommunikationsmittel geht das heute problemlos.
Was schätzt der Neualtbürger Flunterns am Quartier? Was stört ihn? «Fluntern bietet alles, was ich brauche. Man wohnt in einer Stadt und doch nicht in der Stadt. Es ist eine Oase der Ruhe.» Und Roland Meiers Frau, eine Gynäkologin, schätzt an Fluntern besonders den kurzen Weg zu ihrem Arbeitsort an der Frauenklinik des Universitätsspitals.
Beschaulich lässt Roland Meier es aber im Quartier keineswegs angehen. Er engagiert sich. Seit Jahren ist er im Vorstand des Quartiervereins Fluntern aktiv. Hartnäckig setzt er sich ein. Ob für die Lösung der Verkehrsprobleme am Vorderberg, die Reduktion des Zooverkehrs oder auch schon einmal für die Installation eines Geldautomaten…

Pläne
Neben den Vorbereitungen zum Beispiel einer Tournee der ETH Big Band nach Brasilien steht für Roland Meier, wen mag es verwundern, die klassische Musik im Zentrum seiner Arbeit: So die «klang Musiktage auf Schloss Meggenhorn» zum Jahresende, «klang Musiktage zu Gast in Zürich», eine «kleine, aber feine Konzertreihe im Zunfthaus zur Waag», das «klang-Schiff», eine Musik-Kreuzfahrt von Stuttgart nach Amsterdam oder als Fernziel ein Klassikfestival auf der Rigi.
Hat es sich für Roland Meier gelohnt? Dieser Ausstieg, der ein Umstieg war? «Das Risiko war einschätzbar.» Hier spricht der Ökonom. «Wenn es überhaupt nicht funktioniert hätte, dann wäre ich halt wieder zurück in einen traditionellen Wirtschaftsberuf gegangen.» Es hat aber funktioniert. Zwar nicht unbedingt finanziell, aber «es war ein Schritt, den ich nicht bereue. Es gibt schliesslich auch so etwas wie eine geistige Bereicherung.»

Martin Kreutzberg