Fridolin Tschudi
War er Bänkelsänger, Minnesänger, Lyriker oder einfach «Verseschmied», wie er sich selber bezeichnete? Schriftsteller, Journalist, Kabarett-Texter oder gar ein Schweizer Kästner? Die Nachrufe auf Fridolin Tschudi wussten nicht so recht, welches Etikett für den vielseitigen Autor am besten passte. Tschudi dichtete meist auf Bestellung und griff auch mal für die Landeslotterie in die Tasten. Trotzdem wartete Woche für Woche eine treue Leserschaft auf seine liebenswürdigen, oftmals hintergründigen Gedichte in der «Weltwoche» und im «Nebelspalter.» Diese hohen Erwartungen verlangten dem Autor viel ab:«Ohne jeden Mitarbeiter
schreib ich drum – im Busen keimt es –
als mein eigner Fronknecht weiter:
Ungereimtes und Gereimtes.»
Am 11. Juni 1912 kam Fridolin Tschudi in Zürich-Seebach zur Welt, unerwartet starb er viel zu früh während Winterferien in Klosters am 5. Januar 1966. Wie die meisten Schweizer Männer seiner Generation hatte er in der Armee Aktivdienst geleistet. An der hiesigen Universität studierte er Rechts- und Staatswissenschaft und war gleichzeitig verantwortlicher Redaktor der Zeitung «Zürcher Student.» Den Einstieg ins Berufsleben schaffte Tschudi mit politisch-kulturellen Glossen, sowie Film- und Radiokritiken. Dass er deswegen sein Studium nicht abschloss, bezeichnete er gegenüber der Nichte seiner Frau später als die grösste Dummheit seines Lebens.
1946 freundete er sich mit dem Komponisten Paul Burkhard (1911 bis 1977) an. Für ihn verfasste er einige Libretti, so für die Mädchenoperette «Tic-tac» und das Musical «Die Pariserin.» Zwei Jahre arbeiteten die beiden Freunde an der Oper «Spiegel das Kätzchen», die leider nur fünf Mal aufgeführt wurde.
Tschudi gehörte zum Autorenteam des Kabarett «Federal», ferner schrieb er zahlreiche Texte für Voli Geiler (1915 bis 1992) und Walter Morath (1918 bis 1995). Mit César Kaiser und Margrit Läubli war Tschudi ebenfalls befreundet, ihre gemeinsame Arbeit sei «von grosser, gegenseitiger Wertschätzung geprägt gewesen», erinnert sich Margrit Läubli. César Kaiser regte den Autor an, für ihn die erfolgreichen «Fabeln» zu schreiben.
«Lächle lieber, statt zu lachen» (1960) oder «Kleines Handbuch der Heiterkeit in hundertelf Versen» (1958) heissen Titel seiner Gedichtsammlungen. Mit den Versen traf Tschudi, der «dichtende Moralist», den damaligen Zeitgeist. Noch war die Erinnerung an die Entbehrungen während des Krieges wach, die Hochkonjunktur stand erst vor der Türe. Nicht nur das lesende Publikum, auch die Öffentlichkeit schätzte den «Verseschmied.»1955 erhielt Tschudi eine Anerkennungsgabe des Kantons Zürich, 1954 und 1960 die Ehrengabe der Emil-Bührle-Stiftung für das schweizerische Schrifttum. Späteren Generationen von Literaturkritikern war der menschenfreundliche Autor etwas verdächtig, ihnen war er zu wenig gesellschaftskritisch, zu wenig bissig. Tschudi war zwar nie blind für die Schwächen der Schweiz und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner, doch war sein Spott feiner als es einige Jahre nach seinem Tod modisch wurde.
Persönlich war Fridolin Tschudi eine liebenswürdige Persönlichkeit. Auf die Frage eines Journalisten, ob er denn ein «typischer Schweizer» sei, antwortete seine Gattin Marta, eine Grafikerin: «Ja, aber einer von der charmanten Sorte». Dieses Kompliment habe den Autor ungemein gefreut.
48 Jahres seines Lebens verbrachte Fridolin Tschudi in Zürich. Während eines Rezitationsabends in St. Gallen erlitt er 1960 den ersten Herzinfarkt. In der Folge suchte der Autor ländliche Ruhe und lebte 1962-1966 mit seiner Frau Marta und einer Katze auf dem «Gubel» bei Rapperswil. Fridolin und Marta Tschudi ruhen in einem Ehrengrab der Stadt Zürich auf dem Friedhof Fluntern.
Tschudis letzter Beitrag im «Nebelspalter» liest sich wie ein Vermächtnis:
«Drum hört und lasst Euch sagen, Leute:
Geniesst trotz der Betriebsamkeit das Hier und Heute
Und nehmt Euch für das Leben Zeit …»
Verena E. Müller