Ganz besonders gute Brötli wurden gestrichen ...Der Fluntermer Basar

Nicht alle Jahre wieder, aber immerhin jedes zweite, treffen sich. am Montag nach dem Basar in der Grossen Kirche Fluntern die Frauen von der Basarkommission und zählen Geld. Die Einnahmen aus dem Basar. Stand für Stand wird abgerechnet. Geld, das wie immer für einen guten Zweck bestimmt ist.
Anstrengende Tage liegen hinter ihnen. Am Donnerstag haben die Frauen die Verkaufsstände dekoriert, am Freitag mit ihrem Angebot bestückt und dann am Samstag und Sonntag verkauft.

Da durften Frauen aktiv werden in der Kirche
Hervorgegangen aus den Missionsabenden der Kirchgemeinde Fluntern – «Frau Dr. Burckhardt berichtet über das Los der Frauen in Indien ... Millionen Frauen sind ganz abhängig von ihren Männern...» (1929) – entwickelte sich der Basar bald zu einer festen Institution. Frauen verkauften einmal im Jahr Selbstgestricktes und Selbstgebackenes: Für die «Baslermission»., für die «Stadtmission», für die «Aussätzigenmission» oder für «Bethel». Jahr für Jahr. Beachtliche Beträge kamen da jeweils zusammen, Beträge, die bemerkenswerter Weise auch in den schwierigen Jahren der Wirtschaftskrise um 1930 oder in denen des 2. Weltkrieges keineswegs geringer wurde. 1944 erzielte der Basar Einnahmen von 4146 Fr. 30 Jahre später wären das gegen 30.000 Franken, also eine Summe die den Vergleich mit dem Ergebnis der aktuellen Basare durchaus stand halten kann.
Und immer war es ein Projekt von Frauen. 

Vre Rutishauser erinnert sich, dass schon ihre Mutter im Basar aktiv war: «Sie haben auf der Empore in den alten Kirche den ganzen Tag wie wild Brötli gestrichen.» Das muss in den Jahren gewesen sein, von denen die Basarchronik vermerkt:: «Ganz besonders gute Brötli. 450 Stück. Ein Preisaufschlag rechtfertigt sich*.
Vom Geschäft verstanden die Frauen schon damals etwas.

In den sechziger Jahren schien der Basar einigen nicht mehr zeitgemäss. Ein «Auslaufmodell» soll ihn einer der «Pfarrherren» damals genannt haben, wie sich eine der Frauen von der Basarkommission amüsiert erinnert.

Herrschaft, das können wir auch alleine
Das «Auslaufmodell» jedenfalls hat sich als sehr lebensfähig erwiesen. Sicher auch deshalb, weil der Fluntermer Basar immer mit der Zeit gegangen ist, ohne seine Tradition zu verleugnen. 
Prägten früher Selbstgestricktes und Selbstgehäkeltes das Angebot, so ist heute das Sortiment breiter geworden. Es reicht von Blumen, Büchern, Brot, CDs, Konfitüre und Kuchen bis zu Filzschmuck, Raritäten oder Spielen.
Das Wichtigste aber ist, dass 1996 die Frauen von der Basarkommission die Verantwortung alleine übernommen haben. Seit dem ist der Basar Fluntern kein Kirchenanlass mehr, sondern einer, der überkonfessionell das ganze Quartier zusammenbringt. Die Zusammenarbeit mit der evang.-ref. Kirche Fluntern ist nach wie vor eng - die Kirche unterstützt den Basar bei der Öffentlichkeitsarbeit, stellt Räume und Infrastruktur mietfrei zur Verfügung -, aber vorbereitet und durchgeführt wird er von der Basarkommission, von Frauen, die teilweise schon seit Jahren ehrenamtlich miteinander arbeiten. Über 100 Frauen beteiligen sich insgesamt.

Ich kann nicht sein, ohne etwas zu machen
Mit wem man auch über den Fluntermer Basar spricht, es dauert nicht lange und ein Name fällt: Margrit Brandenberger. Die einen nennen sie die Seele vom Basar, rühmen ihre Fähigkeiten zur Integration und Motivation oder ihre ausgleichende Art, für andere ist sie schlicht die «Oberfrau». Seit 1985 leitete sie die Basarkommission, zuerst zusammen mit Rosemarie Zingg und ab 1996 alleine. 
Alle Fäden liefen bei ihr zusammen. 
Und das waren nicht wenige: Welche Stände sollen mit welchen Angeboten bestückt werden, was hat sich bewährt, was an Neuerungen erscheint sinnvoll, wie sieht das Kinderprogramm aus. Und: welche Projekte sollen aus dem Erlös des Basars unterstützt werden?
Zwei bis drei Projekte aus der Schweiz und aus dem Ausland sind es jeweils, die von den Frauen ausgewählt werden. Einen gewissen Vorrang haben dabei solche, die, wie die Basarkommission, ebenfalls ehrenamtlich arbeiten.

Alle machen alles gratis
Es ist ein riesiges Programm, das alle zwei Jahre bewältigt wird. Natürlich funktioniert das nicht als»Einfrauenunternehmen», sondern nur durch das Engagement vieler hochmotivierter Frauen.
Zu den Aktiven zählen auch die «Cüblifrauen». 
Ende der siebziger Jahre gründeten sieben Frauen einen Club. Weil nichts los war in Fluntern.
«Als ich meinem Mann davon erzählt habe, hat er gelacht und gesagt: ‹In einem halben Jahr ist alles vorbei ...› Warte nur, habe ich gedacht, warte nur ...», so Beatrice Stirnemann, eine der glorreichen Sieben. Um 100 Mitglieder zählt das «Clübli» heute. Neben anderen Aktivitäten – Motto: «Männer hüten Kinder, Frauen gehen aus» – engagieren sie sich auch für den Fluntermer Basar. Berühmt ist Beatrice Stirnemanns Bitterorangenkonfitüre. «Der Tisch muss voll sein», das ist ihr Motto. Aber sicher nicht lange. Denn die150 Gläser Konifiture, hergestellt im Februar nach einem «Geheimrezept», sind immer rasch «ausverkauft».
Margrit Brandenberger ist übrigens auch Mitglied im «Clübli» und Eva Tödtli arbeitet in der Kirchenpflege und in der Basarkommission mit. Kurze und unkomplizierte Wege zur Verständigung sind so garantiert. Sicher auch eine der Ursachen für den andauernden Erfolg des Basars.
2014 wurde ein Rekordgewinn von 39.900 Franken erzielt.

Fest in Frauenhand
Wenn auch Margrit Brandenberger lobend erwähnt, dass ihr Mann schon einmal beim Einrichten des Basars geholfen hat, so war der Fluntermer Basar lange Jahre Frauensache, das starke Geschlecht schwach vertreten ...

Eine Ausnahme bildete Paul Kretz. Der Bücherliebhaber und -kenner schaute sich vor dem Basar jedes gespendete Buch an und legte den Preis fest. «Das ganz grosse Schnäppchen gibt es selten, aber es ist vieles dabei, was man gut brauchen kann. Der grosse Vorteil liegt im Preis. In den Antiquariaten muss deutlich mehr gezahlt werden.» Und die eine oder andere Erstausgabe findet sich schon auch mal.

Das waren dann aber schon fast alle Männer, das starke Geschlecht lange Jahre schwach vertreten. der Fluntermer Basar in festen Frauenhänden. 
Das hat sich geändert. Zumindest etwas. Inzwischen sind an den Verkaufsständen auch Männer präsent, die eigene Produkte oder die ihrer Frauen verkaufen. Mit Erfolg.

Trotzdem: Der Fluntermer Basar ist nach wie vor ein» Frauenprojekt». Und das scheint ihnen so auch ganz recht zu sein. Die Frauen machen jedenfalls nicht den Eindruck, dass sie sich den kreativen Teil ihrer Arbeit aus den Händen nehmen lassen würden. Zum Heben, Tragen und Putzen wären Männer aber willkommen.
Wie kann man die Arbeit der Frauen vom Basar kurz charakterisieren? Vielleicht so: Idealistisch, zäh, geschäftstüchtig und selbstbewusst. Das Zusammentreffen dieser Eigenschaften erlaubt für die Zukunft des Fluntermer Basars eine günstige Prognose.

Martin Kreutzberg