Kirche von unten

Schon 1970 hatten die mit den Planungen zum Umbau der Grossen Kirche beauftragten Architekten auf das Potential des Untergeschosses der Kirche hingewiesen: «Im Keller können Übungs- und Spielräume nach Bedarf eingebaut werden» (Eidenbenz), «Die Räume des Untergeschosses stehen den verschiedenen Bedürfnissen der alten und jungen Gemeindemitgliedern zur Verfügung» (Bridel), «Das Untergeschoss könnte erschlossen und der Jugend für mannigfaltige Bedürfnisse hergerichtet werden» (Brütsch) oder «Ausbau des Kellers für allerlei Funktionen der Jugendlichen wie Musik, Sport oder Theater» (Henne).
Mit dem Verzicht auf den «grossen Umbau» verschwanden auch diese Anregungen.
Erst 17 Jahre später gab es einen neuen Anlauf.


Der Anstoss kam von aussen. 1996 hatte das Sozialdepartement der Stadt Zürich konstatiert: «In Fluntern besteht betreffend soziokulturellen Einrichtungen eine Unterversorgung. Insbesonders existiert in Fluntern kein Treffpunkt, in welchem Jugendliche sich treffen können.» (Projekt Sozialkultur – Thesen zum Entwicklungsbedarf im Kreis 7)
Die Kirchenpflege der evang.-ref. Kirche Fluntern reagierte und beauftragte im Oktober 1997 eine Arbeitsgruppe um Marianne Aubert, Felix Bretschger, André Oprecht und Luzia Schwegler u.a., Ideen für eine Nutzung des Untergeschosses der Kirche für ein Quartierzentrum zu erarbeiten. Diese Gruppe von Fluntermern untersuchte mit fachlicher Unterstützung eines Architekturbüros verschiedene Varianten einer Nutzung und stellte das Ergebnis in einer Machbarkeitsstudie vor.
Kernstück dieser war ein neuer Zugang in das Quartierzentrum von der Hochstrasse aus. «Durch ihre Stellung, ihre strenge Symmetrie und der Ausrichtung auf die Stadt ist die Kirchenanlage nicht optimal in das Quartier eingebunden. Eine Belebung durch das Quartierzentrum sowie eine neue Platzgestaltung könnten diese Situation wesentlich verbessern und aus der Grossen Kirche Fluntern einen echten, überkonfessionellen Ort der Begegnung machen.» (Machbarkeitsstudie Quartierzentrum Fluntern, 8.11.1999) Deshalb sollte der Brunnen vor der Grossen Kirche leicht verschoben werden. «Die Neugestaltung des Platzes ermöglicht einen direkten Eingang ins neue Quartierzentrum. Im Soussol der Grossen Kirche ist ungenutzter Raum vorhanden. Dort wird ein Begegnungsort entstehen. Neben einem Foyer mit Cafeteria wird es Räume zum Mieten geben, ausserdem sind ein Werk- und Bastelraum, ein Jugendtreff, Musikräume, ein Kleinkindertreff mit Spielzimmer und das Sonntagskafi vorgesehen.», so Marianne Aubert und Felix Bretschger, zwei der Initianten.
Aber, obwohl das Projekt «Quartiertreff Fluntern» im Untergeschoss der Grossen Kirche schon weit fortgeschritten war, auch erhebliche Finanzmittel durch zwei Stiftungen zugesagt worden waren, ja selbst erste Vorarbeiten wie die Verlegung der Heizungsanlage – finanziert durch private Spenden – bereits stattgefunden hatten, kam es letztlich doch nicht zustande.
Von Beginn an war klar gewesen, dass weder die Stadt Zürich noch die Kirchgemeinde sich an der Finanzierung des Quartiertreffs im Untergeschoss der Grossen Kirche beteiligen wollten oder konnten, die Kosten für den Bau also von privater Seite aufgebracht werden mussten. Sie Suche nach finanzieller Unterstützung erwies sich denn dann auch als schwierig. Dazu kamen Widerstände von Bewohnern aus der Umgebung, die grundsätzliche Bedenken gegen den Betrieb eines Quartiertreffs in ihrer Nachbarschaft hegten. Als dann das kleine – zunächst nur als Übergangslösung gedachte – Quartierzentrum an der Voltastrasse renoviert und ausgebaut werden konnte, wurde das Projekt «Quartierzentrum unter der Grossen Kirche» fallen gelassen.
Welche Möglichkeiten der Ausbau des Untergeschosses eröffnet hätte, wurde am 100. Jahrestag des Baubeginns der Grossen Kirche im Juni 2019 sichtbar, als die Räumlichkeiten durch Führungen einer breiteren Öffentlichkeit gezeigt werden konnten.

Martin Kreutzberg